Rechtsanwalt Medizinrecht Leipzig

Wann gilt eine Kündigung als zugegangen? – Beweislast trägt der Kündigende

Soll ein unbefristetes Arbeitsverhältnis enden, bedarf es einer ordnungsgemäßen Kündigung – egal ob von Seiten des Arbeitnehmers[1] oder des Arbeitgebers.  Bei der Zustellung des Kündigungsschreibens ist darauf zu achten, dass dieses auch wirklich beim Gegenüber ankommt, ansonsten läuft das Arbeitsverhältnis weiter. Wann gilt eine Kündigung als zugegangen? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht erst kürzlich in einem aktuellen Urteil (BAG, Urt. v. 31.01.2025 – 2 AZR 68/24).

Allgemeines

Bei einer Kündigung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die schriftlich erfolgen und dem Empfänger zugehen muss, um wirksam zu werden. Der sicherste Weg, um einen Zugang des Kündigungsschreibens zu gewährleisten, ist eine persönliche Übergabe vor Zeugen. Ist diese nicht möglich oder nicht gewollt, kann das Schreiben auch postalisch zugestellt werden. Auch dann ist die Kündigung jedoch erst wirksam, wenn sie dem Empfänger zugegangen ist (§ 130 I 1 BGB) – also grundsätzlich dann, wenn sie in den Briefkasten des Adressaten eingeworfen wurde und dieser unter gewöhnlichen Umständen die Möglichkeit hatte, von der Kündigung Kenntnis zu nehmen. Oft ist dabei das Einwurf-Einschreiben das Mittel der Wahl, weil sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer davon ausgehen, dass dies den Zugang des Kündigungsschreibens hinreichend belegt. Das BAG entschied nun in einem aktuellen Urteil, dass dies nicht ausreicht.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

In dem Verfahren ging es um eine Kündigung, die der Klägerin (Arbeitnehmerin bei der Beklagten) mittels Einwurf-Einschreiben zugestellt werden sollte. Dabei bestritt die Klägerin, dass sie das entsprechende Kündigungsschreiben erhalten habe. Nach Angaben der Arbeitgeberin steckten zwei Mitarbeiterinnen die Kündigung gemeinsam in einen Briefumschlag. Eine Mitarbeiterin brachte ihn zur Post und versandten ihn mit Einwurf-Einschreiben an die Klägerin. Als Beweis brachte die Beklagte zum einen den Einlieferungsbescheid und zum anderen den Sendungsstatus vor, welcher die Zustellung belegen sollte. Einen Auslieferungsbeleg, mit dem von Seiten der Post bestätigt wird, dass das konkrete Schreiben in den Briefkasten des Empfängers eingelegt wurde, konnte die Beklagte nicht vorlegen. Das Gericht entschied daraufhin, das weder der Einlieferungsbeleg noch der Sendungsstatus ausreichen um die Zustellung des Briefes nachzuweisen. Begründet wird dies damit, dass allein durch Einlieferungsbeleg und Sendungsstatus keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Schreiben tatsächlich zugegangen ist, als bei Versand mittels einfachen Brief.

Ob die Vorlage eines Auslieferungsbelegs durch die beklagte Arbeitgeberin, welche die Beweislast für den Zugang des Schreibens trägt, ausgereicht hätte, wie dies der Bundesgerichtshof in einem anderen – nicht arbeitsrechtlichen – Verfahren (BGH, 27. September 2016 – II ZR 299/15 – Rn. 33) vertritt, hat das Bundesarbeitsgericht nicht entschieden und diese Frage offen gelassen.

Aus dem Urteil lässt sich aber entnehmen, welche Anforderungen das Bundesarbeitsgericht an einen ausreichenden Nachweis stellt. So führt es aus: „Die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurf-Einschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs begründen ohne die Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger (…). Es fehlt an Angaben über die Person des den Einwurf bewirkenden Postbediensteten sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung.“

Was bedeutet dies für Arbeitnehmer?

Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass der Arbeitgeber im Streitfall den Zugang eines Kündigungsschreibens beim Arbeitnehmer nachweisen können muss. Gelingt ihm dies nicht, wie beispielsweise durch einen Auslieferungsbeleg der Post, ist die Kündigung im Zweifel unwirksam und führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin fortbesteht. Empfindet ein Arbeitnehmer eine Kündigung als ungerechtfertigt oder rechtsunwirksam, empfiehlt sich eine kurzfristige anwaltliche Beratung. Dabei ist die sehr kurze dreiwöchige Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage im Auge zu behalten.

Was bedeutet dies für Arbeitgeber?

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass diese zukünftig noch sorgfältiger mit Kündigungen umgehen und neben dem Einwurf-Einschreiben auch andere Möglichkeiten der Zustellung in Betracht ziehen sollten. So kann eine Kündigung alternativ auch durch Boten oder persönlich überbracht werden. Dabei sollte man sich jedoch Zeugen heranziehen, die im Streitfall sowohl das Einlegen des Schreibens in den Briefumschlag als auch das Einstecken in den Briefkasten bestätigen können. Auch ein Übergabe-Einschreiben via Rückschein ist möglich, sofern man sich durch den Versanddienstleister bestätigen lässt, dass das Schreiben ausgeliefert wurde. Die wohl sicherste Methode stellt jedoch weiterhin eine persönliche Übergabe dar. Auch diese sollte idealerweise unter dem Beisein von Zeugen stattfinden. Anderenfalls sollte sich der Arbeitgeber die Aushändigung durch den Arbeitnehmer per Unterschrift – idealerweise auf einer Kopie des Kündigungsschreibens – bestätigen lassen.

Lisa-Marie Büchner

RA Dr. iur. Torsten Nölling

[1] Im nachfolgenden Text wird, zum besseren Verständnis, das generische Maskulinum verwendet. Es sind jedoch alle Geschlechter gemeint.