Werbung für Hörgeräteversorgung im verkürzten Versorgungsweg auf der Praxishomepage
Urteil des Oberlandesgerichts München vom 13.02.2014 – 29 U 2733/13, vorgehend, LG München I, Urt. v. 18.06.2013, nachfolgend, BGH, Beschl. v. 17.11.2014
Vor dem Oberlandesgericht München konnte die Berufsfreiheit der HNO-Ärzte im Rahmen der Eigenwerbung gegen eine unverhältnismäßige Beschränkung erfolgreich verteidigt werden. Hintergrund des über zwei Instanzen durchgefochtenen Rechtsstreits war die Aussage einer HNO-Gemeinschaftspraxis auf ihrer Praxishomepage zum eigenen Leistungsspektrum. Unter der Überschrift Diagnose und Therapie warben die HNO-Ärzte mit der Aussage Hörgeräteversorgung und Service in der Praxis. Das Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht München steht in einer Reihe von gerichtlichen Verfahren, die in der Vergangenheit und Gegenwart zuvörderst von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V., Büro Hamburg (im Folgenden: Wettbewerbszentrale) angestrengt wurden, um HNO-Ärzten die Werbung für oder Hinweise auf die eigene Teilnahme am sogenannten verkürzten Versorgungsweg zu untersagen. Neben den Vorgaben der Berufsordnung (insb. § 31 MBO – Verbot der Empfehlung eines HG-Akustikers ohne hinreichenden Grund) bemühte und bemüht die Wettbewerbszentrale dabei auch die Vorschriften des Lauterkeitsrechts (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – UWG). Mit dem vorliegenden Urteil des Oberlandesgerichts München ist nunmehr obergerichtlich klargestellt, dass ein Hinweis auf die eigene Teilnahme am verkürzten Versorgungsweg weder eine berufsrechtlich unzulässige Empfehlung eines bestimmten HG-Akustikers darstellt noch gegen sonstige Vorschriften des lauteren Wettbewerbs verstößt.
Sachverhalt:
Die beklagten HNO-Ärzte boten in ihrer Praxis neben der Teilnahme am traditionellen Versorgungsweg ihren hörgeschädigten Patienten auch eine Versorgung mit Hörgeräten im sogenannten verkürzten Versorgungsweg an. Darauf wiesen sie auf ihrer Homepage mit der Formulierung „Hörgeräteversorgung und Service in der Praxis“ hin. Die Wettbewerbszentrale als Klägerin sah in der angegriffenen Werbeaussage mehrere Verstöße gegen Vorschriften des Lauterkeitsrechts auch in Verbindung mit dem ärztlichen Berufsrecht und mahnte die HNO-Ärzte ab. Insbesondere läge ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot vor. Zur Vermeidung einer Klage sollten sich die HNO-Ärzte verpflichten, die entsprechende Aussage nicht mehr zu verwenden und sich für den Fall der zukünftigen Verwendung verpflichten, eine Vertragsstrafe zu zahlen (sog. strafbewehrte Unterlassungserklärung oder Abmahnung).
Zur Vermeidung unnötiger gerichtlicher Streitigkeiten boten die HNO-Ärzte an, zukünftig die Werbeaussage nur noch in Verbindung mit einem Hinweis zu verwenden, wonach Hörgeräteversorgung und Service in der Praxis unter Mitwirkung eines Hörgeräteakustikers erfolge. Die HNO-Ärzte gaben eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, die allerdings von der wettbewerbszentrale als unzureichend zurückgewiesen wurde.
Die klagende Wettbewerbszentrale begründete ihre Vorwürfe damit, dass Patienten, die die Werbeaussage „Hörgeräteversorgung und Service in der Praxis* – *unter Mitwirkung eines Hörgeräteakustikers“ läsen, davon ausgingen, vom HNO-Arzt in dessen Praxis und im wesentlichen in dessen alleiniger Verantwortung mit einem Hörgerät versorgt zu werden, wobei ein Hörgeräteakustiker nur Hilfsdienste erbringen würde. Jedenfalls aber würden die Patienten dahingehend getäuscht werden, dass sie annähmen, sämtliche Kosten einer Hörgeräteversorgung würden in jedem Fall durch ihre gesetzliche Krankenversicherung getragen werden. Schließlich läge ein Verstoß gegen das berufsrechtliche Verbot der Verweisung/Empfehlung ohne hinreichenden Grund an einen bestimmten Hörgeräteakustiker nach § 31 MBO vor. Durch den Hinweis auf die Mitwirkung eines HG-Akustikers erfolge nämlich eine Empfehlung desjenigen HG-Akustikers, mit dem die HNO-Ärzte im Rahmen des verkürzten Versorgungsweges in vertraglichen Beziehungen stehen, auch ohne namentliche Nennung dieses Akustikers.
Entscheidungsgründe:
Das Landgericht München I wies die von der Wettbewerbszentrale eingereichte Klage vollumfänglich ab. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde unter Bestätigung des landgerichtlichen Urteils zurückgewiesen. Zutreffend führten die Gerichte aus, dass ein Verstoß gegen lauterkeits- oder berufsrechtliche Vorgaben mit der angegriffenen Werbeaussage nicht verbunden sei. Sie stellten klar, dass die angegriffene Aussage nicht dahingehend missverständlich und damit irreführend im Sinne des Lauterkeitsrechts sei, dass Patienten annähmen, die Hörgeräteversorgung erfolge in der Praxis und die HNO-Ärzte nähmen die Hörgeräteversorgung im Wesentlichen in eigener Verantwortung vor, während der Hörgeräteakustiker nur Hilfsdienste erbringe. Weiter konnten Land- und Oberlandesgericht der Werbeaussage auch keine Täuschung über das Erfordernis weitere Vertragsschlüsse zwischen Patient und Hörgeräteakustiker im Falle der Inanspruchnahme des verkürzten Versorgungsweges beimessen. Zutreffend stellten beiden Instanzen fest, der angesprochene Patient entnehme der Werbeaussage allein den damit auch beabsichtigten Inhalt, dass er zur Versorgung mit einem Hörgerät nicht auch ein Geschäftslokal eines Hörgeräteakustikers aufsuchen müsse. Dies sei nicht irreführend.
Schließlich stellte das Landgericht zu der wichtigen Frage der Kostentragungspflicht des Kassenpatienten fest, dass die angegriffene Werbeaussage sich gerade nicht zu der Frage etwaiger Kosten verhalte. Eine Einschätzung, die das Oberlandesgericht bestätigte. Die Wettbewerbszentrale hatte argumentiert, Kassenpatienten würden die Werbung dahingehend missverstehen, dass ihre gesetzliche Krankenversicherung in jedem Fall die anfallenden Kosten im gleichen Rahmen übernehme wie bei einer Versorgung mit Hörgeräten im traditionellen Versorgungsweg. Zu dieser Frage stellte das Oberlandesgericht fest, dass die angegriffene Werbeaussage den Patienten nur zur ersten Orientierung diene und daher keine weitergehenden Informationen zu der komplexen Frage der Kostentragung durch die Krankenkasse im jeweiligen konkreten Einzelfall beinhalten müsse. Solche Informationen, wie sie durch § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG vorgesehen sind, müsse der Arzt dem Patienten erst dann zukommen lassen, wenn er diesem ein konkretes und individuelles Angebot für die Versorgung mit Hörgeräten unterbreitet. Dieser Zeitpunkt fällt zusammen mit dem Zeitpunkt, zu dem der Arzt gemäß § 630c Abs. 3 BGB im Rahmen des Arzt-Patienten-Gesprächs auch nach den Vorgaben des Patientenrechtegesetzes verpflichtet ist, den Patienten über etwaige Kostenrisiken zu informieren.
Schließlich entschieden die Gerichte, die HNO-Ärzte verstießen mit der Werbeaussage auch nicht gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 31 Abs. 2 BayBOÄ, also gegen das Verbot der Empfehlung eines Hilfsmittelerbringers ohne hinreichenden Grund. Die Wettbewerbszentrale hatte argumentiert, dass in dem – erst auf Betreiben der Wettbewerbszentrale überhaupt aufgenommenen – Hinweis, dass ein Hörgeräteakustiker an der Versorgung mitwirke, die Empfehlung eines konkreten Hörgeräteakustikers, nämlich des Vertragspartners der HNO-Ärzte im verkürzten Versorgungsweg, und somit eine unzulässige Empfehlung im Sinne des Berufsrechts vorläge. Auch diesem ersichtlich konstruierten Verständnis der Werbeaussage erteilten die angerufenen Gerichte eine Absage.
Stellungnahme:
Besonders erfreulich ist die eindeutige Klarstellung, die durch dieses obergerichtliche Urteil erreicht wurde. In der Vergangenheit war unklar, mit welchen Begriffen und Formulierungen HNO-Ärzte auf ihrer Homepage auf ihr Leistungsspektrum hinweisen durften. So existiert ein rechtskräftiges Urteil des Landgericht Flensburg vom 08.11.2013 – 6 O 87/13 -, nach der die Werbeaussage „Hörgeräteversorgung (auf dem verkürzten Versorgungsweg in Kooperation mit einem Hörgeräteakustiker)“ gegen das Lauterkeitsrecht (§ 5a Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 UWG) verstoßen solle, weil nicht darauf hingewiesen werde, dass nicht alle gesetzlichen Krankenversicherungen die Kosten im Rahmen des verkürzten Versorgungsweges übernähmen. Auch das Landgericht Dessau-Roßlau (Urteil vom 31.07.2013 – 3 O 63/12) nahm einen Verstoß gegen Lauterkeitsrecht an bei einem HNO-Arzt, der die Hörgeräteversorgung im verkürzten Versorgungsweg als Alternative zur herkömmlichen Hörgeräteversorgung bewarb. Die Wettbewerbszentrale sah sogar in dem Stichwort „Hörgeräteversorgung“ unter der Überschrift „weitere Merkmale“ auf der Seite www.arztsuchehessen.de“ der KV Hessen ein rechtswidriges Verhalten des dort gelisteten HNO-Arztes. Ein Hinweis der allein darüber informieren soll, dass der jeweilige HNO-Arzt an der Qualitätssicherungsvereinbarung Hörgeräteversorgung teilnimmt und somit zum Erbringen der damit zusammenhängenden Leistungen zu Lasten der KV Hessen berechtigt ist.
Hingewiesen werden muss in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 08.02.2011 – 312 O 669/10 – wonach die Angabe „Hörgeräte – Diagnostik, Beratung, Versorgung“ sowohl gegen lauterkeitsrechtliche als auch gegen berufsrechtliche Vorgaben verstieße. Dieses Urteil wurde durch Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg mit Beschluss vom 19.05.2011 – 3 U 36/11 – bestätigt.
Der Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 17.11.2014 die gegen das Urteil des OLG München erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen, sodass die überzeugenden Ausführungen in den Urteilsgründe des LG München I und des OLG München rechtskräftig geweorden sind.
Abschließend soll betont werden, dass es in dem Verfahren nicht um die Frage der unzulässigen Verweisung durch explizite Empfehlung eines bestimmten HG-Akustikers im Rahmen des Arzt-Patienten-Gesprächs ging.
Rechtsanwalt Torsten Nölling
Fachanwalt für Medizinrecht