Rechtsanwalt Medizinrecht Leipzig

Ein MVZ darf keine „Töchter“ haben

Die Entscheidung

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 16.05.2018 (AZ: B 6 KA 1/17 R) in einer mit Spannung erwarteten Entscheidung geurteilt, dass ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) nicht zu dem elitären Kreis der Personen zählt, die nach § 95 Abs. 2 SGB V ein MVZ gründen dürfen. Dieser Kreis der gründungsberechtigten Personen wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz zum 01.01.2012 stark eingeschränkt, Zuvor waren alle zugelassenen Leistungserbringer, mithin z.B. auch Apotheker, zur Gründung eines MVZ nach § 95 Abs. 1, Satz 6 SGB V a.F. berechtigt.

Die Hintergründe

In dem Verfahren vor dem BSG beantragte die MVZ-Träger GmbH festzustellen, dass die Ablehnung Ihres Antrages auf Zulassung eines „Tochter-MVZ“ durch die Zulassungsgremien Hessen rechtswidrig gewesen sei. Alleingesellschafter der Klägerin ist ein Apotheker, mithin eine seit dem 01.01.2012 nicht mehr gründungsberechtigte Person. Da der Apotheker im Jahre 2012 selbst nicht mehr gründungsberechtigt war, beantragte „seine“ MVZ-GmbH die Zulassung des ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH zu betreibenden Tochter-MVZ. Während das Sozialgericht Marburg das Ansinnen der klagenden MVZ-GmbH mit der Begründung abwies, diese sei nicht gründungsberechtigt nach § 95 Abs. 2 SGB V, hob das Landessozialgericht Hessen in der Berufungsentscheidung das Urteil der Vorinstanz auf und begründete dies mit der Norm des § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Dort ist geregelt, dass die Vorschriften zu den Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, soweit sie sich auf Ärzte beziehen, entsprechend auch für MVZ gelten. Aus dieser Vorschrift entnahm das LSG Hessen eine Gründungsberechtigung auch für MVZ.

Das Urteil

Das Bundessozialgericht hat nunmehr mit der oben genannten Entscheidung das Berufungsurteil aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.

Damit bleibt es bei der mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz zum 01.01.2012 eingeführten Beschränkung der gründungsberechtigten Personen auf den elitären Kreis des § 95 Abs. 2 SGB V.

Die Entscheidungsgründe

Die Urteilsgründe der BSG-Entscheidung liegen noch nicht vor. Aus der vorliegenden Pressemitteilung geht jedoch hervor, dass die Begründung der durch die beklagten Zulassungsgremien erhobenen Revision zum Bundessozialgericht Früchte getragen hat. Der Beklagte und die beigeladene KV Hessen haben vorgetragen, dass der Wille des Gesetzgebers, den Gründerkreis auf die in § 95 Abs. 2 SGB V ausdrücklich aufgeführten Personen oder Institutionen zu beschränken, konterkariert werde, wenn anstelle von nicht mehr gründungsberechtigten Personen die von ihnen gegründeten MVZ ihrerseits gründungsberechtigt wären.

Fazit

Dem Urteil des BSG ist zuzustimmen. Es war der explizite Wille des Gesetzgebers, den Kreis der gründungsberechtigten Personen einzuschränken. Bei einer anderen Entscheidung wäre zudem zweifelhaft gewesen, wie – jedenfalls sozialrechtlich – das Fremdbesitzverbot für Arztpraxen aufrecht erhalten werden soll. Es wäre nur eine Frage der Zeit bis auch in Bezug auf Arztpraxen die Zulässigkeit eines Fremdbesitzes aus Gründen der Gleichbehandlung zwischen Vertragsärzten und MVZ erneut gefordert werden würde.

Letztlich führt dieses Urteil erneut vor Augen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Ärzte und sonstige Leistungserbringer durch missverständliche gesetzliche Regelungen zusätzlich erschwert werden. Allein der Wortlaut der gesetzlichen Regelungen hilft im Bereich des SGB V oft nicht weiter. Nur wer auch die Motive des Gesetzgebers kennt, kann sich gesetzeskonform verhalten.

Rechtsanwalt Torsten Nölling