Rechtsanwalt Medizinrecht Leipzig

Bei weißer Krankenhaus-Dienstkleidung gilt: Umkleidezeit ist Arbeitszeit

BAG, Urt. v. 06.09.2017 – 5 AZR 382/16

Wann sind Umkleidezeiten von Arbeitnehmern vom Arbeitgeber zu vergüten?

Immer wieder streiten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber wegen dieser Frage. Auch wenn das Umziehen im Einzelfall schnell geht, summieren sich diese Umkleidezeiten im Laufe der Zeit bei den einzelnen Arbeitnehmern zu nennenswerten Kontingenten. Aus Sicht des Arbeitgebers ist der Zeitaufwand und damit die in Frage stehende finanzielle Belastung noch viel größer. Er muss die Regelung schließlich bei allen Arbeitnehmern umsetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung sind solche Umkleidezeiten dann zu vergüten, wenn es sich bei der vorgeschriebenen Dienstkleidung um eine „auffällige Dienstkleidung“ handelt. Im Bereich der stationären Versorgung wird vielfach nicht explizit „Krankenhauskleidung“ vorgeschrieben, sondern – wie im vorgestellten Fall auch – das Tragen einer „neutralen weißen Hose und eines entsprechenden Oberteils“.

Die Entscheidung der Instanzgerichte

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sind davon ausgegangen, dass es sich bei dieser vorgeschriebenen weißen Kleidung nicht um „besonders auffällige Dienstkleidung“ handele, da sie keinem besonderen Berufsbild zugeordnet werden könne und insbesondere keine Namenszüge des Arbeitgebers oder eine besondere Farbgestaltung aufweise.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, Urt. v. 06.09.2017 – 5 AZR 382/16

Dieser Argumentation folgte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht. Überzeugend führt es aus, dass die vorgeschriebene weiße Kleidung auch ohne besondere Zusätze auf die Tätigkeit in einem Krankenhaus und damit auf die berufliche zugehörigkeit des Trägers auf einen Heil- oder Heilhilfsberuf schließen lasse. Dies sei schließlich auch der Zweck der Kleidung innerhalb des Krankenhauses. Patienten und Besucher sollen die Pflegekräfte als solche eindeutig erkennen können.

Fazit

Mit diesem Urteil entwickelt das BAG seine Rechtsprechung fort und kommt den Arbeitnehmern weiter entgegen. Während bisher darauf abgestellt wurde, dass die Kleidung in der Öffentlichkeit als „Werbeträger“ für den Arbeitgeber anzusehen und damit aus Sicht des Arbeitnehmers „ausschließlich fremdnützig“ sei (BAG, Beschl. v. 10.11.2009 – 1 ABR 54/08 – IKEA-Entscheidung), reicht es nunmehr, dass der Träger durch die vorgeschriebene Kleidung einer bestimmten Berufsgruppe zugeordnet werden kann, ohne dass es auf einen konkreten Arbeitgeber ankommt. Das BAG billigt dem Arbeitnehmer damit ein überwiegendes Interesse daran zu, in der Öffentlichkeit seinen Beruf nicht offenbaren zu müssen.

In Bezug auf die Umkleidezeiten, die vergütet werden müssen, gilt ein sogenannter „modifizierter subjektiver Maßstab“. D.h. der Arbeitnehmer muss seine „subjektive Leistungsfähigkeit ausschöpfen“, d.h. er darf nicht trödeln. Alternativ wird auch die Vereinbarung einer monatlichen Pauschale zulässig sein. Auch weiterhin zu berücksichtigen sind eventuell bestehende tarifvertragliche Regelungen, die aber auf ihre Vereinbarkeit mit der BAG-Rechtsprechung überprüft werden sollten.

Rechtsanwalt Torsten Nölling

Fachanwalt für Medizinrecht

Der Beitrag ist zuerst erschienen in: Kardiotechnik, 2018, S. 89.