Rechtsanwalt Medizinrecht Leipzig

Corona-Antikörpertests für den Hausgebrauch

  1. Neuer Test aus Leipzig

Immer mehr Unternehmen bieten Antikörpertest an, mit denen eine Erkrankung mit Covid-19 nachgewiesen werden können soll. Diese Antikörpertests reagieren auf vorhandene Antikörper im Blut der Testperson. Sehr grob unterschieden werden muss zwischen IgM- und IgG- Antikörpern. Während IgM-Antikörper tendenziell auf eine akute Infektion hinweisen, zeigen IgG-Antikörper eine weit vorangeschrittene bis durchlebte Infektion an. Fast alle auf dem Markt befindlichen Tests sind nur für die Anwendung durch Fachkreise, d.h. insbesondere Ärzte, vorgesehen. Eine Ausnahme stellt der neue Test AProof der Firma Adversis Pharma GmbH aus Leipzig da. Während auch hier die Laboranalyse mittels des etablierten ELISA-Verfahrens in einem firmeneigenen Labor labormedizinisch durchgeführt wird, erfolgt die Probenentnahme durch die zu testende Person individuell und ohne Beteiligung der Fachkreise. Dazu, so die Anleitung auf der Website der Fa. Adversis Pharma, müssen einige Bluttropfen aus der Fingerkuppe auf den Papierträger aufgebracht werden und dieser nach einer Trocknungszeit in den beigefügten „zip-Beutel“ verpackt und schließlich an das Labor zur Auswertung gesendet werden. Also ein „Antikörpertest für Zuhause“.

2. Landespolitik begeistert

Die sächsiche Landespolitik reagierte begeistert, die Presse berichtete und die Tests sollten, so der Plan von Adversis Pharma, über die Apotheken abgegeben werden. Allein die sächsische Apothekerkammer und mir ihr die ABDA empfahlen ihren Mitgliedern, diese Tests nicht an Laien abzugeben und wiesen auf die Regelung des § 3 Abs. 4 MPAV hin. Auch das sächsische Staatsministerium für Gesundheit teilte diese kritische Sicht, während das BMG offenbar keine rechtlichen Bedenken gegenüber der Abgabe außerhalb der Fachkreise hatte, solange der Test selbst im Labor erfolgt.

3. Rechtliche Würdigung

Die Frage, ob ein solches Testkit an Laien abgegeben werden darf, richtet sich nach dem Medizinprodukterecht. Eindeutig handelt es sich bei dem Testkit um ein Medizinprodukt im Sinne des § 3 Nr. 1 MPG, konkret in der Form eines In-vitro-Diagnostikums nach § 3 Nr. 4 S. 2 MPG. Die Vorschrift, die auf die entsprechende europäische Richtlinie zurückgeht, lautet:

„In-vitro-Diagnostikum ist ein Medizinprodukt, das als Reagenz, Reagenzprodukt, Kalibriermaterial, Kontrollmaterial, Kit, Instrument, Apparat, Gerät oder System einzeln oder in Verbindung miteinander nach der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben einschließlich Blut- und Gewebespenden bestimmt ist und ausschließlich oder hauptsächlich dazu dient, Informationen zu liefern

a) über physiologische oder pathologische Zustände oder
b) über angeborene Anomalien oder
c) zur Prüfung auf Unbedenklichkeit oder Verträglichkeit bei den potentiellen Empfängern oder
d) zur Überwachung therapeutischer Maßnahmen.

Probenbehältnisse gelten als In-vitro-Diagnostika. Probenbehältnisse sind luftleere oder sonstige Medizinprodukte, die von ihrem Hersteller speziell dafür gefertigt werden, aus dem menschlichen Körper stammende Proben unmittelbar nach ihrer Entnahme aufzunehmen und im Hinblick auf eine In-vitro-Untersuchung aufzubewahren. Erzeugnisse für den allgemeinen Laborbedarf gelten nicht als In-vitro-Diagnostika, es sei denn, sie sind auf Grund ihrer Merkmale nach der vom Hersteller festgelegten Zweckbestimmung speziell für In-vitro-Untersuchungen zu verwenden.“

Der in dem Probenentnahmekit enthaltene Papierträger, mit dem die Blutprobe an das Labor übersandt werden soll, ist in Verbindung mit dem zip-Beutel als Probenbehältnis in diesem Sinne zu verstehen, so dass ein in-vitro-Diagnostikum vorliegt.

Nach § 3 Abs. 4 MPAV dürfen „In-vitro-Diagnostika, die für den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung einer in § 24 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes genannten Krankheit oder einer Infektion mit einem in § 24 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes genannten Krankheitserreger bestimmt sind“, nur an Fachkreise abgegeben werden.

Covid-19 und Sars-CoV-2 sind unterdessen in die Kataloge des IfSG aufgenommen, sodass das Verbot des § 3 ABs. 4 MPAV auf diese Tests Anwendung findet.

Ein Verstoß gegen dieses Abgabeverbot stellt nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 MPAV eine Ordnungswidrigkeit nach § 42 Absatz 2 Nummer 16  MPG dar, die mit einer Geldbuße bis zu 30.000 EUR geandet werden kann.

Die Fa. Adversis Pharma beruft sich zur Stützung der eigenen Position offenbar auf ein hier nicht bekanntes anwaltliches Rechtsgutachten. Jedenfalls auf Basis eines in der pharmazeutischen Zeitung online wiedergegebenen Zitats aus diesem Gutachten erscheint die Position von Adversis Pharma in Deutschland schwach. Das Zitat lautet:

»Die Abgabe dieses Proben-Kits dient aber nach diesseitiger Auffassung nicht dem indirekten Nachweis eines Krankheitserregers im Sinne des § 3 Absatz 4 MPAV, sondern vielmehr allein dem Zweck der Entnahme der Probe, anhand derer dann im Labor erst der Nachweis geführt werden kann. Ohne die Rücksendung des Proben-Kits kann der Besteller keine Auswertungen vornehmen, auch keine laienhaften Schlüsse nach Entnahme des Blutes entnehmen und insbesondere keinen indirekten Nachweis eines Krankheitserregers nach dem Infektionsschutzgesetz führen.«

Unter Berücksichtigung des oben zitierten Wortlauts der Normen des § 3 Nr. 4 S. 2 MPG und § 3 Abs. 4 MPAV dient aber gerade der dem Laien überlassene Blutprobenträger in Kombination mit dem Zip-Beutel der Übermittlung der Blutprobe an das Labor und stellt damit ein Probenbehältnis im Sinne des § 3 Nr. 4 S. 2 MPG und damit ein In-vitro-Diagnostikum im Sinne des § 3 Abs. 4 MPAV dar. In wie weit ein solches Kit daher „nicht dem indirekten Nachweis“ des Krankheitserregers dienen soll, erschließt sich nicht.

Eine gesetzliche Ausnahme, wie sie nach § 3 Abs. 4 S. 2 in Verbindung mit Anlage 3 MPAV für HIV-Tests vorgesehen ist, existiert nicht. Auch die Möglichkeit einer befristeten Ausnahmegenehmigung durch das RKI nach § 3 Abs. 5 MPAV liegt bisher nicht vor.

Zu berücksichtigen ist bei der rechtlichen Bewertung dieser Problematik schließlich die Gesetzesbegründung zum Verbot der Abgabe solcher In-vitro-Diagnostika an Laien nach § 3 Abs. 4 MPAV. Zweck der Regelung, so die Gesetzesbegründung (BR-Drucksache 235/14, S. 31f.) sei es, dass über den in § 24 IfSG geregelten Bereich hinaus eine „fachkundige Anwendung und Auswertung der in-vitro-Diagnostik (…) sichergestellt werden“ soll. „Insbesondere soll vorbeugend einer Eigenanwendung von betreffenden In-vitro-Diagnostika als Heimtest entgegengewirkt werden, (…) Personen, die bei sich eine Krankheit oder Infektion nach § 24 IfSG vermuten, sollten für die Diagnose einen Arzt aufsuchen.“ Hintergrund ist, dass von der Regelung nur all die Infektionen erfasst werden, „bei denen die Behandlung und der Erregernachweis (…) den Ärzten vorbehalten ist, um die öffentliche Gesundheit vor einer Weiterverbreitung der Krankheit zu schützen.“

Gerade dieser Schutzzweck des Gesetzes ist bei dem vorliegenden Test betroffen. Nach Angaben der Fa. Adversis Pharma wird auf IgG-Antikörper getestet, mithin auf die Gruppe von Antikörpern, die auf eine durchlebte Infektion hinweisen. Nicht hingegen wird – soweit ersichtlich – auf IgM-Antikörper getestet, mithin jene Antikörper , die auf eine aktive Infektion hinweisen können. Je nach Immunantwort und Zeitpunkt des Tests können auch beide Antikörper vorliegen. Wenn nur auf einen Antikörper getestet wird, oder aber dem Betroffenen nur die entsprechenden Ergebnisse mitgeteilt werden, kann es sein, dass ein Betroffener mit aktiver Infektion fälschlich davon ausgeht, er habe die Infektion bereits vollständig überstanden (und sei ggf. sogar immun), während er tatsächlich ggf. infektiös ist und der Weiterverbreitung des Erregers aufgrund seiner Fehlvorstellung Vorschub leistet. Genau dies soll durch das Verbot der Abgabe von In-virto-Diagnostika zum Nachweis von Errgern nach § 24 IfSG gem. § 3 Abs. 4 MPAV vermieden werden.

4. Ergebnis

Im Ergebnis sprechen sowohl der Wortlaut der einschlägigen Rechtsnormen als auch die teleologische und die historische Auslegung dafür, dass das aktuell angebotene Corona-Testkit für den Hausgebrauch nicht an Personen außerhalb der Fachkreise (Laien) abgegeben werden darf. Letztlich bleibt die rechtverbindliche Beantwortung dieser Entscheidung aber einem ggf. mit der Frage befasstem Gericht vorbehalten.

Leipzig, den 03.09.2020

Rechtsanwalt Dr. Torsten Nölling

Fachanwalt für Medizinrecht